Rezensionen

Oliver Rathkolb: Ökonomie der Angst – Die Rückkehr des nervösen Zeitalters

„Als ich mich mit den ersten Plänen für dieses Buch trug, dachte ich noch, dass wir im Vergleich zur Zeit vor 1914 in einer vernünftigen und politisch kontrollierbaren neuen Welt leben.“ So beginnt Oliver Rathkolb sein Buch und erklärt dann, woran er erkennt, dass die politische und ökonomische globale Bühne gegenwärtig ebenso

extrem unsicher und in kaum kontrollierbarer Bewegung ist wie damals. Oliver Rathkolb, geboren 1955, ist Historiker mit Schwerpunkt österreichische und internationalen Zeit- und Kulturgeschichte und u.a. Herausgeber der Zeitschrift »zeitgeschichte«, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Hauses der europäischen Geschichte in Brüssel und Wissenschaftskoordinator des Bruno Kreisky Forums für Internationalen Dialog.

Er gliedert seinen Text in diese 13 Kapitel: Der Ausgangspunkt: Überforderung / Überall Angst, Angst, Angst: Globaphobia / Gleichzeitigkeit der extreme: von der ersten zur zweiten Moderne / Fultons Monster, das Iphone und die KI / von Robber Barons und Cyber Barons / Bringt Bildung Innovation? / Innovationsturbos vor 1900 / Putin, Xi und die Politik der Aggression / Wegbereiter und Pioniere der digitalen Revolution / Europa hinkt hinterher / Ein Perpetuum Mobile: die Triggerpunkte der nervösen Zeitalter / Rufe nach dem starken Führer: Symptome der globalen Überforderung / Wertemuseum oder autoritär geprägte Wirtschaftsgemeinschaft: Untergangsszenarien und Zukunftsoptionen Europas.

Eingefügt sind viele aktuelle und historische Fotos, anschauliche Statistiken, Titelseiten von Zeitungen und Landkarten. Im Anhang sind Anmerkungen und ein Personenregister zu finden.

Mit bekannten und interessanten Argumentationen historischer Bezüge arbeitet sich der Autor durch das komplexe und vielschichtige Thema Ökonomie der Angst.
Nach detailreichen Fakten- und Ursachenanalysen gelangt Rathkolb schließlich zu dem Schluss: „Sobald es eine rechtspopulistische antieuropäische Mehrheit im Europäischen Parlament und im Rat gibt, bricht dieses Szenario einer Demokratie-basierten Wirtschafts- und Außenpolitik der EU zusammen. Entsprechende Auswirkungen auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung sind nicht wirklich vorhersehbar, aber ein Hoffnungsschimmer bleibt. Vielleicht retten aber die Aktienmärkte die Demokratie in Europa wie auch in den USA, oder die Menschen erkennen, dass ihnen weder der Postliberalismus noch der autoritäre Rechtspopulismus hilft, soziale Gerechtigkeit zu erfahren. Letzteres müssen aber politische Parteien und die Zivilgesellschaft selbst wieder mit politischen Mitteln anstreben, Aktienmärkte haben völlig andere Prioritäten Gewinnmaximierung für die Aktionäre. Nicht mehr!“
Mit diesem inneren Widerspruch verweist er auf das oft paradoxe Weltgeschehen und fordert indirekt die Leser:innen auf, selbst ihre Schlüsse zu ziehen.
Also bleiben wir wachsam und aktiv, um unsere Demokratie nicht an die Angstmacher:innen zu verlieren.


November 2025
Rezension
Ilse M. Seifried, MA
https://www.i-m-seifried.at

304 Seiten Hardcover
Molden 2025
ISBN 978-3-222-15153-8
€ 33,-